Tech-Jobs 2025: Schlechte Aussichten und KI verschärft die Lage


Neues Jahr, alte Probleme – und jetzt kommt das unaufhaltsame Wachstum der KI dazu. Einen Job in der Tech-Branche zu finden ist genauso schwer wie Anfang 2024 verraten Recruiting-Profis im Gespräch mit Cybernews. Karriere zu machen, ist weiterhin möglich, aber man muss aktiv in die eigene Weiterbildung investieren.

Jahrelang strömten gut ausgebildete Tech-Fachkräfte ins Silicon Valley, angelockt von hohen Gehältern, vergleichsweise niedriger Arbeitsbelastung und allerlei Extras wie kostenlosen Mahlzeiten.

Diese Zeiten sind vorbei. Und das ist längst keine Neuigkeit mehr: In den Jahren 2022 und 2023 strich die US-Techbranche Hunderttausende Stellen. Der Grund laut Unternehmen: Während der Pandemie habe man zu viele Leute eingestellt, jetzt korrigiere man lediglich den Kurs. Die Einschnitte seien nur vorübergehend, hieß es damals.

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Doch die Lage ist nach wie vor ernst. Die Entlassungen gehen weiter. Wer heute einen Job finden will, muss sich unter Umständen auf Hunderte Stellen bewerben, um überhaupt ein Angebot zu bekommen, berichten Insider gegenüber Cybernews.

Hinzu kommt: Immer mehr Unternehmen setzen generative KI-Tools ein, die problemlos große Teile der Belegschaft ersetzen könnten. Tätigkeiten wie Software-Wartung und Qualitätsmanagement lassen sich in den kommenden Jahren vermutlich weitgehend automatisieren.

Aber ist das wirklich ein Grund zur Sorge? Vielleicht ist all das einfach ein natürlicher und sogar notwendiger Wandel. Je nach Interpretation der verfügbaren Daten könnte man sagen: Der Tech-Arbeitsmarkt lebt – er durchläuft nur eine tiefgreifende Transformation.

„Die Zeiten, in denen man 300.000 Dollar bekam, um die Farbe eines Buttons in einem A/B-Test zu ändern? Die verblassen schneller als die Erinnerung an das letzte Gratis-Kombucha-Fass im Büro. Aber man sollte diesen Wandel nicht mit dem Untergang verwechseln“, schrieb der bekannte Recruiter Brian Fink kürzlich.

Stellen gestrichen, Entlassungen, Hunderte Bewerbungen

„Die Lage ist ziemlich schlecht“, räumt Sam Wright ein, der bei Huntr den Bereich Operations & Partnerships leitet, einem Unternehmen, das Tech-Fachkräfte beim Bewerbungsprozess unterstützt.

Gegenüber Cybernews räumte Wright ein, dass er seit Jahresbeginn mit Dutzenden Jobsuchenden gesprochen hat und dabei beobachtet, dass es weniger offene Stellen gibt und gleichzeitig mehr Entlassungen.

„Betroffen sind nicht nur Berufseinsteiger, sondern auch Fachkräfte mit mittlerer Berufserfahrung. Ich spreche mit Leuten, die mitten in ihrer Karriere stehen, die nie Probleme hatten, einen Job zu finden – und jetzt seit vier bis sechs Monaten suchen und nach Hunderten Bewerbungen nur ein oder zwei Vorstellungsgespräche hatten“.

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Jeff Le, ehemaliger stellvertretender Kabinettssekretär des früheren kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown und heute Vice President für globale Regierungsbeziehungen und Public Policy beim Cybersecurity-Unternehmen SecurityScorecard, kennt die Situation aus eigener Erfahrung und nennt den Markt „brutal“.

„Ich habe letztes Jahr nach einer Position im Bereich Tech Public Policy gesucht, und die Zahl der offenen Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 75 % zurückgegangen. Durch die Vielzahl an Entlassungen drängen nun extrem viele qualifizierte Leute gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt“, sagte Le gegenüber Cybernews.

„Es werden kaum Führungspositionen ausgeschrieben. Es gibt ein paar Einsteigerstellen, aber im mittleren und höheren Segment wird es deutlich dünner.“

Die Situation ist gnadenlos. Nach einem Artikel der Washington Post wurden bei Meta im Februar rund 3.000 Mitarbeitende entlassen. Darunter waren auch Führungskräfte, die in ihren Leistungsbeurteilungen als „gut“ oder sogar „überdurchschnittlich“ bewertet wurden, sowie frischgebackene Eltern in Elternzeit.

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Mark Zuckerberg. Bild von Getty Images/Alex Wong.

„Teams bekamen eine Vorgabe, wie viele Stellen sie streichen mussten und wenn es nicht genug ‚Low Performer‘ gab, wurden die Leistungsbewertungen entsprechend nach unten korrigiert“, schrieb ein Nutzer auf Blind, einer anonymen Plattform für verifizierte Tech-Mitarbeitende. Im selben Beitrag nannte er Meta „das grausamste Tech-Unternehmen überhaupt“.

Meta-CEO Mark Zuckerberg hatte zuvor in einem Memo erklärt, das Unternehmen wolle die „Leistungsstandards anheben“ und schwächere Mitarbeitende schneller entlassen.

Doch genau diese angeblichen Low Performer wehren sich nun öffentlich. Auf LinkedIn nehmen viele Stellung, verteidigen ihre Arbeit und werfen ihrem ehemaligen Arbeitgeber vor, ihre Leistung falsch dargestellt zu haben.

Wo bleibt die Weiterbildung?

Tja – schwer zu sagen. Zuckerberg, der sich mittlerweile öffentlich zur MAGA-Agenda bekennt, scheint sich womöglich an Elon Musk zu orientieren, der nach der Übernahme von Twitter (inzwischen „X“) rund 80 % der Belegschaft in wenigen Wochen entlassen hatte.

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Klar ist jedenfalls: Viele der freigewordenen Stellen werden nicht mehr von Menschen besetzt. Denn KI ist längst keine abstrakte Bedrohung mehr. Sie entwickelt sich schneller, als viele Beschäftigte mithalten können.

Gerade Jobs im Einstiegsbereich von IT-Dienstleistungen und Rechenzentrumsbetrieb stehen massiv unter Druck. Viele davon werden automatisiert und kommen nicht zurück.

Bereits im März 2024 erklärten Fachleute im Wall Street Journal, dass viele entlassene Tech-Mitarbeitende nicht schnell neue Jobs finden, weil ihre Fähigkeiten nicht zur Nachfrage passen oder ihre Gehaltsvorstellungen an der Realität vorbeigehen.

Unternehmen erkennen zunehmend, dass es entweder günstiger ist, teure Fachkräfte durch Automatisierung zu ersetzen oder sinnvoller, gezielt nach Talenten zu suchen, die moderne KI-Tools effizient einsetzen können.

Genau deshalb sind Upskilling, Reskilling und Cross-Skilling heute so wichtig. Laut Harvard Business Review beträgt die Halbwertszeit technischer Kompetenzen gerade einmal 2,5 Jahre.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Die nötige Transformation ist komplex und verläuft nur schleppend. Viele Beschäftigte werden entlassen, noch bevor sie überhaupt eine Chance zur Umschulung hatten.

„Ich sehe kaum echte Weiterbildungsinitiativen, abgesehen vom Druck, Gehälter niedrig zu halten und Managementfähigkeiten stärker zu betonen“, meint Jeff Le.

Auch Sam Wright bestätigt, dass zu wenig in Umschulung investiert wird. Dabei beobachtet er eine klare Diskrepanz: Arbeitgeber finden trotz Rekordzahlen an Bewerbungen nicht die richtigen Kandidat:innen.

„Ich habe von Personalern gehört, deren gesamte Suche gescheitert ist trotz Hunderter Bewerbungen. Die Leute bringen schlicht nicht mehr die gefragten Skills mit“, sagt Wright gegenüber Cybernews.

Laut einem aktuellen Bericht von Revature machen sich über 80 % der IT-Entscheider Sorgen, ob sie künftig noch genügend Fachkräfte finden. Besonders in Bereichen wie KI und Machine Learning hoffen sie, diese Lücken durch gezielte Weiterqualifizierung des bestehenden Personals zu schließen.

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Die Beratungsfirma Korn Ferry geht sogar davon aus, dass der globale Fachkräftemangel bis 2030 bis zu 85 Millionen unbesetzte Tech-Stellen zur Folge haben könnte. Bereits im Januar dieses Jahres ist die Arbeitslosenquote im IT-Bereich von 2 % auf 2,9 % gestiegen.

Zeit für neue Chancen?

Trotz aller Herausforderungen: Für Unternehmen ist es vermutlich am günstigsten und effektivsten, bereits angestellte Mitarbeitende weiterzubilden oder umzuschulen. Genau das macht die heutige Komplexität der Tech-Branche verständlich.

Brauchen Tech-Unternehmen wirklich noch so viele Stellen? Wahrscheinlich nicht. Müssen sie jedem Mitarbeitenden 100.000 Dollar zahlen? Vielleicht, aber nur, wenn diese Personen außergewöhnlich gut sind. Kurz gesagt: Die Branche ist vorsichtiger geworden als noch vor wenigen Jahren. Doch das heißt nicht, dass es keine Aufstiegschancen mehr gibt.

John Hurley, Chief Revenue Officer beim US-Cybersicherheitsunternehmen Optiv, sieht die aktuelle Phase sogar als „spannende Zeit für die Cybertechnologie – eine Zeit voller Chancen“, wie er gegenüber Cybernews erklärte.

Für Hurley bedeutet KI und Automatisierung nicht Bedrohung, sondern Potenzial: mehr Produktivität, bessere Entscheidungen.

„Wer bereit ist, sich neu auszurichten und anzupassen, wird erkennen: KI und Automatisierung gefährden den eigenen Job nicht, sie ergänzen ihn. Denn Technologie steht nie still, sie entwickelt sich durch Innovation weiter. Und wir sollten es genauso tun“, so Hurley.

Stefanie Paulina Okunyte justinasv jurgita
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Auch Dr. Kyle Elliott, Karrierecoach im Tech-Bereich und Experte für mentale Gesundheit, bleibt gelassen. Er ist überzeugt: KI wird zwar einige Jobs ersetzen, aber auch viele neue schaffen.

„Man kann nicht erwarten, dass der eigene Arbeitgeber einen mit allen nötigen Fähigkeiten ausstattet, um auf dem heutigen Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Wer mithalten will, muss sich außerhalb des Jobs weiterbilden“, sagt Elliott.

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Jason Wingate, CEO der kanadischen IT-Beratung Emerald Ocean, erinnert daran, dass die Tech-Branche immer schon von Umbrüchen geprägt war.

Als in den 1970er-Jahren die ersten Geldautomaten eingeführt wurden, befürchtete man Massenentlassungen bei Bankangestellten. Tatsächlich gingen einige Jobs verloren. Sinkende Betriebskosten führten aber dazu, dass Banken mehr Filialen eröffneten, was langfristig sogar zu mehr Jobs führte.

„Ob PCs in den 80ern, E-Commerce in den späten 90ern, Mobile-Apps oder Cloud Computing, jedes Mal hieß es: ‚Die Maschinen nehmen uns die Arbeit weg.‘ Doch jedes Mal entstanden neue Branchen, neue Berufe und wirtschaftliches Wachstum“, so Wingate.

Wo es Probleme gibt, gibt es auch Arbeit

Laut den Ergebnissen des Future of Jobs Reports 2025 des Weltwirtschaftsforums werden bis 2030 rund 92 Millionen Jobs verschwinden, aber gleichzeitig 170 Millionen neue geschaffen. Das ergibt ein Plus von 78 Millionen Stellen weltweit.

Natürlich kann man berechtigterweise fragen, wie hochwertig diese neuen Jobs sind und wie viel Entscheidungsspielraum der Mensch in Zukunft überhaupt noch hat.

Bereits vor einem Jahrzehnt schrieb Nicholas Carr: „Täglich wird uns die Überlegenheit von Computern vor Augen geführt. Was wir vergessen: Diese Maschinen wurden von uns erschaffen. Wenn Computer staunen könnten – sie würden über uns staunen.“

Allerdings sind auch politische Entwicklungen nicht ohne Risiko. So kursierten unter der Regierung Trump Pläne, Tausende Verwaltungsmitarbeitende durch Maschinen zu ersetzen. Der US-Technologieexperte Bruce Schneier bezeichnete das gegenüber Cybernews als „reinen Cyber-Utopismus“.

Sollte so ein Modell umgesetzt werden – und als Erfolg verkauft –, könnten Unternehmen schnell nachziehen.

„Die Überlegenheit von Computern wird uns täglich vor Augen geführt. Was wir dabei vergessen: Unsere Maschinen wurden von uns selbst erschaffen. Wenn Computer staunen könnten – sie würden über uns staunen.“

Nicholas Carr.
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Daniele Viappiani, Wirtschaftswissenschaftler mit Erfahrung in der KI-Politik für Großbritannien und Argentinien, ist überzeugt: In den kommenden Jahren wird KI zahlreiche neue, hochwertige Jobs schaffen – in der Tech-Branche und darüber hinaus.

„Einer der wichtigsten Grundsätze der Ökonomie lautet: Die Zahl der Jobs ist nicht fix. Die sogenannte ‚Lump of Labor Fallacy‘ beschreibt den Irrglauben, es gebe nur eine begrenzte Menge an Arbeit. In Wirklichkeit erzeugen neue Bedürfnisse ständig neue Jobs“, sagte Viappiani im Gespräch mit Cybernews.

„Wer hätte vor zehn Jahren an Berufe wie Social-Media-Manager oder UX-Designer gedacht? Wo Probleme existieren, entstehen auch Jobs. Der Arbeitsmarkt reagiert auf Herausforderungen – und davon haben wir keine zu wenig. KI schafft hier neue Freiräume für andere Aufgaben.“

Klar ist: Der derzeitige Wandel auf dem Arbeitsmarkt ist eine Anpassung an neue Realitäten. Doch weil technologische Entwicklungen meist schrittweise verlaufen, haben Unternehmen und Gesellschaft genug Zeit, sich darauf einzustellen.

„Wenn KI die neue Elektrizität ist, also eine Basistechnologie, die alles verändert, dann steht uns eine Welle neuer Chancen und Berufsbilder bevor, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Aber das geschieht nicht von allein. Es hängt von menschlicher Kreativität, Unternehmergeist und kluger Politik ab“, so Viappiani.


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